Starke Margen, schwacher Ausblick – warum ich bei Salesforce noch zögere

Der US-Softwareriese Salesforce hat im zweiten Quartal zwar starke Zahlen vorgelegt. Anleger reagierten nervös: Die Aktie fiel nachbörslich um mehr als vier Prozent. Damit summiert sich das Minus im laufenden Jahr auf rund 24 Prozent – ein herber Dämpfer für den einstigen KI-Liebling.

Starke Margen, schwacher Ausblick – warum ich bei Salesforce noch zögere

Starke Zahlen, schwache Erwartungen

Operativ hat Salesforce geliefert. Der Umsatz kletterte im zweiten Quartal um 10 % auf 10,2 Milliarden US-Dollar, im Kerngeschäft „Subscription & Support“ sogar um 11 % auf 9,7 Milliarden Dollar. Die operative Marge überzeugt: 22,8 % nach GAAP, 34,3 % non-GAAP – das ist die zehnte Margensteigerung in Folge. Zudem flossen 2,6 Milliarden Dollar an die Aktionäre zurück, darunter 2,2 Milliarden Dollar über Aktienrückkäufe und 399 Millionen Dollar Dividenden.

Salesforce liefert – aber nicht das, was die Anleger hören wollten
10,24 bis 10,29 Milliarden Dollar Umsatz im laufenden Quartal. Das ist die Prognose von Salesforce. Klingt stark – ist es aber nicht. Denn der Mittelwert liegt unter den Erwartungen. Übersetzt: Die Wachstumsstory, für die Investoren zahlen, läuft gerade nicht so, wie sie sollte.

Besonders bemerkenswert: Die verbleibenden Auftragsbestände (cRPO) liegen bei 29,4 Milliarden Dollar, ein Plus von 11 %. Salesforce hat also volle Auftragsbücher – ein starkes Signal in einem unsicheren Marktumfeld.

Trotzdem enttäuscht der Blick nach vorn: Für das laufende Quartal stellt Salesforce nur 10,24 bis 10,29 Milliarden Dollar Umsatz in Aussicht. Der Mittelwert liegt damit unter den Analystenerwartungen von 10,29 Milliarden Dollar. Angesichts einer sonst positiven Dynamik ist das ein Warnsignal – und erklärt die nervöse Reaktion der Märkte.

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KI und Data Cloud wachsen explosionsartig

Das eigentliche Wachstumsfeuerwerk findet im Zukunftsbereich statt. Der Umsatz mit Data Cloud und KI-Produkten hat inzwischen ein jährliches Volumen von über 1,2 Milliarden Dollar erreicht – ein Sprung von 120 % gegenüber dem Vorjahr.

Mit „Agentforce“, einer KI-Plattform, die Kunden automatisierte Assistenten an die Hand gibt, hat Salesforce 12.500 Deals abgeschlossen, davon 6.000 bezahlt. Über 40 % der Buchungen in diesem Segment stammen aus Bestandskunden, was zeigt: Salesforce wächst nicht nur über Neukunden, sondern vertieft auch bestehende Beziehungen.

Hinzu kommt: In Q2 wurden über 60 Großdeals mit mehr als 1 Million Dollar Volumen abgeschlossen, viele davon mit KI- und Data-Cloud-Komponenten. Auch die Schwergewichte Service und Plattform tauchten in sämtlichen Top-10-Deals des Quartals auf.

Aktienrückkäufe als Beruhigungspille

Um Investoren bei Laune zu halten, stockt Salesforce sein Aktienrückkaufprogramm massiv auf: +20 Milliarden Dollar, insgesamt nun 50 Milliarden Dollar. Das ist ein klares Signal: Das Management setzt auf Shareholder Value, wenn der Markt das Wachstum nicht honoriert.

Die Frage bleibt jedoch, ob Rückkäufe ausreichen, um den Vertrauensverlust durch den schwachen Ausblick wettzumachen. Anleger erwarten bei einem Softwarekonzern im KI-Hype mehr als Kapitalrückflüsse – sie wollen überragendes Wachstum.


Wo hakt es wirklich?

Salesforce-Chef Marc Benioff betont, man sei auf Kurs für ein Rekordjahr mit 15 Milliarden Dollar Operating Cashflow im Geschäftsjahr 2026. Er verweist auf Kunden wie Pfizer, Marriott oder die US-Armee, die mit Salesforce KI-getriebene Prozesse umsetzen.

Das Problem liegt jedoch weniger in der Technologie als im Marktumfeld. Unternehmen sind angesichts der unsicheren Konjunktur vorsichtiger bei IT-Ausgaben. Cloud-Software bleibt zwar unverzichtbar, doch Investitionsentscheidungen ziehen sich länger hin. Das erklärt den konservativen Ausblick – auch wenn die langfristige Story intakt bleibt.


Persönliche Einschätzung

Als Investor sehe ich zwei Seiten: Operativ ist Salesforce stark, profitabel und wächst zweistellig. Besonders die Erfolge bei KI und Data Cloud sind beeindruckend und sichern langfristiges Potenzial. Gleichzeitig wirkt der vorsichtige Ausblick wie ein Bremsklotz. Er zeigt: Selbst die besten Produkte stoßen im aktuellen Makroumfeld an Grenzen.

Meine Einschätzung: Kurzfristig bleibt die Aktie volatil, vielleicht sogar anfällig für weitere Rückschläge. Langfristig jedoch ist Salesforce mit seiner breiten Kundenbasis, starken Margen und führenden KI-Plattform strategisch exzellent positioniert. Wer an den strukturellen Trend zu Cloud und KI glaubt, bekommt Salesforce heute günstiger – aber mit der Geduld, auch Durststrecken auszuhalten.