Die brutale Wahrheit: Buy & Hold funktioniert nur, wenn du DAS beachtest - 10 Gründe, warum ich Aktien verkaufe
Viele predigen „Buy & Hold“, doch in der Praxis gibt es Momente, in denen Verkaufen die bessere Entscheidung ist.

Die meisten kennen den Satz „An der Börse wird nicht verkauft“. Kaufen und Liegenlassen, das ist die gängige Devise. Ich selbst halte auch sehr viel von langfristigem Investieren – aber ehrlich gesagt: Ganz so einfach ist es nicht. Es gibt Situationen, in denen ein Verkauf die beste Entscheidung ist. Ich möchte hier meine Gedanken dazu teilen, wie ich persönlich an das Thema herangehe.
1. Wenn die Story nicht mehr stimmt
Ich kaufe keine Aktie wegen irgendeiner Zahl im Quartalsbericht, sondern weil ich eine Geschichte dahinter sehe. Eine Branche mit Rückenwind, ein Unternehmen, das den Markt anführt und einen Burggraben hat, und ein Management, das weiß, wohin die Reise geht. Solange dieser rote Faden stimmt, kann ich auch Durststrecken aussitzen. Aber wenn diese Story bricht, ist für mich Schluss. Das kann passieren, wenn die Konkurrenz plötzlich stärker auftritt, wenn ein neues Produkt floppt oder wenn das Management die klare Linie verliert.
Auch externe Faktoren können dabei eine Rolle spielen, etwa technologische Umbrüche, die ein Geschäftsmodell innerhalb weniger Jahre alt aussehen lassen (Beispiel: Nokia und das Smartphone). Für mich gilt: Ich halte eine Aktie nicht, nur weil ich sie „immer schon hatte“. Wenn die ursprüngliche Investmentidee nicht mehr trägt, dann gehört sie nicht mehr in mein Depot – egal wie schön der Chart einmal war.
2. Steuerliche Überlegungen
So trocken das klingt: Steuern sind ein wichtiger Teil des Spiels. Ich schaue regelmäßig, wie ich meine Gewinne und Verluste steuerlich am besten ausgleichen kann. Manchmal verkaufe ich bewusst Aktien, die im Minus stehen, um Verluste zu realisieren und sie gegen Gewinne zu verrechnen. Das ist nichts anderes als Hausaufgaben machen, es spart bares Geld.
Vor allem zum Jahresende ist das spannend: Ich bewerte dann meine Positionen und entscheide, ob es Sinn ergibt, schwache Titel rauszunehmen. Und wenn ich die Aktie eigentlich weiter spannend finde, kann ich sie nach der Sperrfrist einfach wieder kaufen. Das klingt vielleicht nach Detailarbeit, aber am Ende macht genau diese Disziplin einen Unterschied in der Netto-Rendite. Denn am Ende zählt nicht nur, was das Depot brutto wert ist, sondern was davon nach Steuern wirklich bei mir ankommt.
Kurzer Exkurs: Sperrfrist
Wenn ich eine Aktie nur verkaufe, um Verluste steuerlich geltend zu machen, darf ich sie nicht sofort wieder ins Depot legen. Das Finanzamt würde den Verlust sonst nicht anerkennen.
3. Wenn Vertrauen weg ist
Für mich ist Vertrauen die härteste Währung an der Börse. Zahlen kann man schönreden, Prognosen kann man aufhübschen, aber wenn ich das Gefühl habe, dass ein Management nicht mehr liefert oder sich sogar selbst widerspricht, schrillen bei mir die Alarmglocken. Ein CEO-Wechsel allein ist noch kein Drama, aber wenn danach plötzlich eine komplett neue Strategie gefahren wird, die wenig mit der ursprünglichen Investmentidee zu tun hat, stelle ich mir die Frage: „Würde ich diese Aktie heute noch kaufen?“ Wenn die Antwort Nein lautet, fällt mir die Entscheidung leicht.
Auch wiederholte Zielverfehlungen sind für mich ein klares Warnsignal. Einmal kann jedem passieren, zweimal ist ärgerlich, aber wenn es zur Gewohnheit wird, spricht das für tieferliegende Probleme. Ich investiere lieber in Unternehmen, die Verlässlichkeit ausstrahlen, als mich jahrelang mit Ausreden zufriedenzugeben.
4. Wenn Emotionen übernehmen
Ich glaube fest daran: Ein gutes Investment sollte mir Ruhe geben, nicht meinen Puls hochtreiben. Sobald ich mich dabei erwische, täglich wie besessen den Kurs zu refreshen oder nachts über rote Zahlen nachzudenken, weiß ich: Hier stimmt die Balance nicht mehr. Klar, Schwankungen gehören an der Börse dazu, aber wenn eine Aktie meinen Alltag dominiert, hat sie in meinem Depot nichts verloren.
Ich habe im Laufe der Zeit gelernt, dass Börse auch ein Stück Selbstmanagement ist.
Investments müssen zu meinem Risikoprofil passen, sonst rauben sie Energie statt Rendite zu bringen. Und ganz ehrlich: Lieber nehme ich einen kleinen Verlust in Kauf, als mich monatelang von einer Aktie runterziehen zu lassen.
5. Politische Spielregeln
Manchmal sind es nicht die Unternehmen selbst, die ihre Zukunft verbauen, sondern die Politik. Neue Steuern, verschärfte Regulierung oder geopolitische Konflikte können ein Geschäftsmodell schneller ins Wanken bringen, als es ein Quartalsbericht je zeigen würde.
Beispiele gibt es viele: Energiekonzerne, die plötzlich mit Sonderabgaben belegt werden, Tech-Giganten, die durch Datenschutzgesetze ausgebremst werden, oder Banken, die nach einer Finanzkrise mit immer härteren Auflagen leben müssen.
Ich persönlich möchte nicht warten, bis diese Risiken offiziell in den Zahlen auftauchen – dann ist es oft schon zu spät. Wenn ich sehe, dass die politischen Spielregeln grundlegend gegen ein Unternehmen laufen, bin ich lieber früh raus. Lieber einmal zu vorsichtig verkauft, als am Ende monatelang dabei zuzusehen, wie Regulierung und Politik Stück für Stück den Wert auffressen.
6. Wenn eine Aktie zu groß wird
Es klingt nach einem Luxusproblem, ist aber eines der größten Risiken: Eine Aktie läuft über Jahre extrem gut und wächst im Depot immer weiter, bis sie plötzlich 30, 40 oder gar 50 Prozent des Gesamtportfolios ausmacht. Klingt toll, weil die Rendite stimmt, aber in Wahrheit ist das ein Klumpenrisiko, das gefährlicher ist, als viele denken.
Stellt euch vor, diese eine Aktie bekommt plötzlich Probleme, sei es durch einen Skandal, neue Konkurrenz oder einfach eine schlechte Phase am Markt. Dann hängt nicht nur diese Position, sondern das gesamte Depot am seidenen Faden.
Ich persönlich ziehe deshalb rechtzeitig die Notbremse und reduziere Teilgewinne. Das bedeutet nicht, dass ich nicht mehr an das Unternehmen glaube, sondern dass ich die Balance im Depot im Blick behalte. Für mich ist das Risikomanagement pur: Gewinne absichern und gleichzeitig dafür sorgen, dass nicht eine einzige Position über mein ganzes Börsenleben entscheidet.
7. Verpasste Innovationen
Ein Unternehmen kann noch so solide Bilanzen haben, aber wenn es die großen Trends verpasst, tickt im Hintergrund eine Zeitbombe. Märkte verändern sich heute schneller denn je: Digitalisierung, KI, Nachhaltigkeit, E-Mobilität. Wer zu lange im Gestern lebt, verliert im Morgen.
Nokia ist für mich das Paradebeispiel: Marktführer bei Handys, aber das Smartphone wurde verschlafen – der Rest ist Geschichte. Dasselbe sieht man im Einzelhandel, wo E-Commerce-Giganten viele Traditionsketten in die Knie gezwungen haben.
Ich frage mich daher regelmäßig: Entwickelt das Unternehmen noch mit, oder verwaltet es nur seinen Status quo? Sobald ich das Gefühl habe, dass eine Firma die Zukunftstrends verschläft, steige ich lieber frühzeitig aus. Denn wenn der Markt es einmal merkt, ist es oft schon zu spät.
8. Bessere Chancen (Opportunitätskosten)
Manchmal verkaufe ich nicht, weil eine Aktie schlecht läuft, sondern weil ich woanders klar bessere Chancen sehe. Kapital ist nun mal begrenzt und jeder Euro, der in einer Aktie gebunden ist, kann nicht gleichzeitig in einem spannenderen Unternehmen arbeiten.
Für mich sind Opportunitätskosten deshalb ein ganz wichtiger Punkt. Vielleicht habe ich eine Aktie, die solide vor sich hin dümpelt, aber im selben Moment ergibt sich die Möglichkeit, in ein Unternehmen mit enormem Wachstumspotenzial einzusteigen.
Oder die Bewertung einer Aktie ist so weit gelaufen, dass ich lieber Gewinne mitnehme und das Kapital in eine unterbewertete Alternative umschichte.
Das ist kein Zeichen von Ungeduld, sondern von Kapitaldisziplin. Ich will, dass mein Geld dort arbeitet, wo die Renditeaussichten am besten sind – nicht dort, wo ich aus Gewohnheit hängenbleibe.
9. Mein Wertekompass
Für mich zählt nicht nur Rendite, sondern auch, wofür ein Unternehmen steht. Wenn eine Firma plötzlich in Skandale verwickelt ist, fragwürdige Geschäftspraktiken an den Tag legt oder in ethische Grauzonen abrutscht, dann frage ich mich: Will ich damit wirklich mein Geld verdienen?
Klar, Aktien sind keine Moralpredigt, aber ich möchte nachts ruhig schlafen können. Und das geht nicht, wenn ich weiß, dass meine Gewinne aus Geschäften stammen, hinter denen ich nicht stehe.
Beispiele gibt es genug: Unternehmen, die Umweltskandale vertuschen, mit Kinderarbeit in Verbindung gebracht werden oder systematisch ihre Kunden täuschen. Solche Dinge sind für mich ein rotes Tuch. Selbst wenn der Kurs weiterläuft, bin ich dann raus. Geld ist wichtig, aber nicht um jeden Preis.
10. Wenn’s langweilig wird
Manche Aktien verlieren irgendwann einfach den Reiz. Sie wachsen kaum noch, liefern keine spannenden Innovationen und dümpeln jahrelang seitwärts. Das fühlt sich an wie Kapital, das auf der Couch liegt, statt für mich zu arbeiten. Dann investiere ich lieber in einen ETF. Natürlich sind defensive Werte in manchen Phasen wichtig, aber wenn ich das Gefühl habe, dass eine Aktie keine Fantasie mehr hat, ziehe ich weiter.
Ich sehe mein Depot wie ein Team: Jeder Titel sollte einen klaren Job erfüllen. Wenn ein Unternehmen diesen Job nicht mehr macht, sei es Wachstum, Stabilität oder Dividendenkraft, dann wird es ausgetauscht.
Mein Fazit
„Buy and Hold“ ist und bleibt für mich der beste Ansatz. Aber „Buy and Hold“ heißt nicht „Buy and Forget“. Ich schaue regelmäßig über mein Depot, stelle meine Investmentthesen auf den Prüfstand und habe kein Problem damit, auch mal Gewinne mitzunehmen oder Fehlentscheidungen zu korrigieren (die gehören absolut dazu!). Denn am Ende zählt nicht, möglichst lange dabei zu sein, sondern klug und bewusst zu handeln.