BMW setzt alles auf eine Karte – schafft die „Neue Klasse“ den Befreiungsschlag gegen Tesla?

Mit dem neuen iX3 wagt BMW den größten Umbruch seit Jahrzehnten. Milliarden fließen in Software, digitale Gehirne und eine neue Elektro-Plattform. Die Münchner wollen nicht länger hinter Tesla herlaufen, sondern das Spiel neu definieren.

BMW setzt alles auf eine Karte – schafft die „Neue Klasse“ den Befreiungsschlag gegen Tesla?

Ein SUV als Neustart für den ganzen Konzern

Wenn man den neuen BMW iX3 das erste Mal sieht, wirkt er äußerlich gar nicht so spektakulär. Doch wer genauer hinschaut, merkt: Hier geht es nicht um ein Auto, sondern um die komplette Neuausrichtung eines Konzerns. Der iX3 ist das erste Serienmodell der „Neuen Klasse“ – einer milliardenschweren Plattform, die bis 2027 über 40 Modelle hervorbringen soll.

CEO Oliver Zipse nennt es die größte Investition der Unternehmensgeschichte. Und tatsächlich: Der Konzern macht sich nackig und sagt offen, dass ohne diese Neue Klasse kein Weg in die Zukunft führt. Für mich ist das ein mutiger Schritt – weg vom „Weiter so“, hin zu einem echten Aufbruch.


Ein digitales Nervensystem statt 100 kleiner Kästen

Das eigentlich Revolutionäre ist kaum sichtbar: BMW ersetzt das bisherige Wirrwarr aus Steuergeräten durch ein „Superbrain“. Ein digitales Nervensystem, das zwanzigmal mehr Rechenleistung bringt und alles im Fahrzeug steuert – von der Klimaanlage bis zum autonomen Fahren.

Erste Ausfahrt mit dem BMW iX3 der Neuen Klasse | ÖAMTC auto touring
Der neue BMW iX3 ist der erste Vertreter von der Neuen Klasse der Marke. So fährt sich das vollelektrische SUV.

Tesla-Fahrer kennen dieses Prinzip längst: Autos, die sich per Software-Update ständig weiterentwickeln. Jetzt zieht BMW nach – und das ist überfällig. Wenn BMW diesen Schritt nicht gegangen wäre, hätte man sie in wenigen Jahren endgültig im Rückspiegel gesehen.


Premium statt Rabattschlacht – richtig oder riskant?

Während Tesla, BYD und Co. in China mit Preiskämpfen um Kunden buhlen, wählt BMW bewusst den anderen Weg. Sie setzen auf Premium, auf Marke, auf Begehrlichkeit. Zipse betont: „BMW ist ein Versprechen.“

Das klingt fast trotzig – aber auch klug. Denn Rabattschlachten fressen Margen und zerstören Vertrauen. BMW versucht, das Gegenteil zu schaffen: Kunden sollen ein Auto kaufen, weil es Qualität, Prestige und technische Eleganz vereint. Persönlich halte ich diesen Weg für konsequent. Aber: Er ist riskant. Wenn die Technik nicht absolut überzeugt, bleibt nur das Image. Und das reicht heute allein nicht mehr.


Die Parallele zu den 1960er-Jahren

Der Name „Neue Klasse“ ist kein Marketinggag. Er knüpft an die 1960er an, als BMW kurz vor dem Aus stand und sich mit der damaligen Neuen Klasse neu erfand. Damals brachte die Modellreihe Sportlichkeit und Modernität zurück – und machte BMW zu dem, was es heute ist.

Ich finde es faszinierend, dass BMW diese historische Parallele jetzt bewusst zieht. Man will damit sagen: Schon einmal haben wir uns neu erfunden. Und wir können es wieder.


Meine Einschätzung

BMW macht vieles richtig: Sie nehmen Software ernst, sie investieren Milliarden, sie bleiben ihrer Premium-DNA treu. Genau das unterscheidet sie von den vielen anderen Traditionsherstellern, die zwischen Preisdruck und Innovationsangst hin- und hergerissen sind.

Aber: Der Druck ist enorm. Tesla ist im Softwarebereich noch immer schneller. Die Chinesen sind günstiger und innovativer, als viele glauben. Für BMW wird die Neue Klasse zum Lackmustest. Gelingt der Start, können sie beweisen, dass Tradition und Zukunft sich nicht ausschließen. Misslingt er, könnte das Projekt als teure Fehlinvestition in die Geschichte eingehen.

Sollte man jetzt in BMW investieren?

Die Börse liebt Geschichten und BMW schreibt gerade eine besonders große. Wenn man an den Erfolg der Neuen Klasse glaubt, könnte man jetzt einen spannenden Einstiegszeitpunkt sehen.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: BMW ist mit einer Marktkapitalisierung von 52,5 Milliarden Euro vergleichsweise günstig bewertet. Das aktuelle KGV liegt bei nur 7,5, die Dividendenrendite bei attraktiven 4,9 %, mit einem Dividendenwachstum von fast 18 % im Fünfjahresschnitt. Auch die EBIT-Wachstumsrate von Ø18,5 % zeigt, dass BMW trotz Transformation profitabel wirtschaftet.

Für Value-Investoren wirkt die Aktie wie ein Schnäppchen im Vergleich zu Tesla oder BYD, die teils mit astronomischen Multiples bewertet werden. BMW zahlt seit 21 Jahren Dividende, hat sie in den letzten beiden Jahren sogar gesteigert und signalisiert damit Stabilität.

Das Risiko: Die Renditen sind trügerisch, wenn die Neue Klasse floppt. Hohe Investitionen drücken auf die Margen, während der Markt brutal kompetitiv ist. BMW bleibt damit ein klassischer „Contrarian-Play“: Man investiert, wenn man überzeugt ist, dass ein Traditionskonzern sich tatsächlich neu erfinden kann.

Meine Einschätzung:
Wer auf stabile Dividenden setzt und an BMWs Fähigkeit glaubt, im Premium-Segment die Oberhand zu behalten, findet hier einen spannenden Langfristwert. Kurzfristig dürfte die Aktie aber stark von Erfolgen oder Rückschlägen bei der Neuen Klasse abhängen – ein Investment für Geduldige mit starken Nerven.